Mein persönlicher Jetzt-musst-du-unbedingt-was-tun-Moment

„Wann warst du eigentlich an dem Punkt angekommen, dass dich [deine Kurzsichtigkeit] so gestört hat, dass du entschieden hast, jetzt musst du was tun?“ – so die Frage, die mir eine Bekannte letzten Donnerstag stellte.

Und so auch die Frage, die ich mir so oft schon selbst gestellt und nie zu meiner Zufriedenheit beantwortet hatte. Fakt ist: Am 18. November 2015 meldete ich mich für ein Onlineprogramm zur Verbesserung des Sehens an und gab am 26. November 2015 folgende Antwort an, die ich seitdem unheimlich oft (meist mir selbst gegenüber) wiederholt habe: „Eines Tages fuhr ich mit dem Fahrrad irgendwohin und stellt dabei fest, dass die Entfernung, auf die ich Schilder lesen kann, unheimlich kurz im Vergleich zu meiner Bewegungsgeschwindigkeit ist. Jedes Mal wenn ich Rad fahre merke ich das und ich fühle mich dadurch unheimlich beeinträchtigt.“

Die ganze Zeit war ich mit dieser Antwort nicht ganz zufrieden. Es war kein Datum mit ihr verknüpft, kein Aha-Moment, an dem ich feststellte, dass irgendwas mit meinem Sehvermögen nicht in Ordnung ist. Ständig argumentierte ich gegen dieses innere Gefühl an, dass es nun halt einfach kein solches Datum gäbe und ich mich nicht daran aufhängen sollte und aufhören müsse, krampfhaft eines zu suchen.

Diese Frage nun aber von einer anderen Person zu hören, hat mich dazu gebracht, doch noch einmal darüber nachzudenken, ja sogar alte E-Mails und Kalender zu durchforsten. Denn kurz bevor ich besagtem Onlineprogramm (welches sich übrigens – zumindest für mich – im Nachhinein nur als teurer Hokuspokus herausgestellt hat) beitrat, gab es durchaus einen Auslöser. Und der lag natürlich nur wenige Wochen zuvor.

Es war Mittwoch, der 14. Oktober 2015, der erste Mittwoch der Vorlesungszeit des Wintersemesters – genau 365 Tage bevor mich jene Bekannte fragen sollte, was der Auslöser für meine Arbeit an meiner Kurzsichtigkeit gewesen wäre. 15:15 fing eine Vorlesung an – eine Wahlpflichtvorlesung, die ich aus verschiedenen Gründen letztendlich doch nicht belegen sollte: Die Vorlesung gefiel mir zwar inhaltlich, aber ich mochte die Vortragsweise der Dozentin nicht und die Übungen erschienen mir bereits am ersten Tag zu aufwendig für ein freiwilliges 5-Punkte-Modul. Einen Grund unterschlug ich dabei jedoch vor mir selbst:

Es war seit meinem ersten Tag an der Universität die erste Veranstaltung, zu der ich im Auditorium Maximum war. Ich saß nicht besonders weit hinten, in der zehnten Reihe vielleicht, aber weit hinten genug um den Effekt meiner Kurzsichtigkeit auf schmerzvolle Weise zu spüren. Die Dozentin schrieb etwas an die Tafel – nicht besonders groß, nicht besonders klein. Die Leute in den hintersten Reihen beschwerten sich, dass sie doch bitte das Tafellicht anschalten möge, damit man die Tafel besser sehen könne. Ich konnte die Worte noch immer nicht lesen.

Ich holte die Brille heraus, die vier Jahre zuvor für mich angefertigt worden war, die ich seitdem immer bei mir getragen hatte, ohne sie jedoch ernsthaft zu verwenden. Ich mochte Brillen und ihre Art, das Sichtfeld einzuschränken, nicht – und überhaupt: Es machte praktisch keinen Unterschied ob ich sie trug oder nicht, besser sehen konnte ich mit auch nur marginal. Bei einer Stärke -0,75/-0,25 mag das auch kaum jemanden verwundern.

Nun saß ich da im vorderen Drittel des Hörsaals und versuchte, die Worte, die die Studenten hinter mir aus dreifacher Entfernung mühelos lasen, mit Brille zu entziffern und es gelang mir einfach nicht. Ich wendete einen Trick an, den mir ein Leidensgenosse einmal verraten hatte, kippte die Brille vor meinen Augen (siehe dazu die Warnung am Ende des Beitrags) und konnte mit Augenzukneifen nun den Aufschrieb mit ein wenig Wohlwollen als das erkennen, was die Dozentin zur Tafel gebracht hatte – ein äußerst verstörendes Erlebnis, welches ich bis heute sehr gekonnt verdrängt hatte und welches möglicherweise der emotionale Hauptgrund dafür war, dass ich nie wieder zu dieser Vorlesung ging.

Jene Vorlesung am 14. Oktober 2015 war somit der Auslöser, der mich auf die Reise brachte, meine Kurzsichtigkeit wieder loszuwerden. Knapp vier Monate später sollte ich dann endlich auf endmyopia.org stoßen – die einzige seriöse Ressource mit brauchbaren/anwendbaren Informationen, welche mir zum Thema Kurzsichtigkeit bisher begegnet ist. Der Seite folge ich seit Februar mit wachsender Überzeugung und mittlerweile auch mit sichtbaren (wenn auch kleinen und langsamen) Erfolgen.

Ein letztes Wort der Warnung noch: Die Brille zu kippen um schärfer zu sehen, ist eine ganz schlechte Idee und – so vermute ich – bei häufigem Gebrauch sicher schlimmer als sich von vornherein eine stärkere Brille zu holen. Wie ich zu dieser Einschätzung komme, dazu schreibe ich an einem anderen Tag mehr.

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